„Sale!“, „Kaufe drei, bezahle nur zwei!“, „Alles zum halben Preis!“ – in den Fußgängerzonen können wir uns vor Sonderangeboten und Rabattaktionen kaum retten, die Modehäuser sind voll mit den neuesten Modetrends. Immer schneller ändern sich die Looks, immer mehr Kollektionen werden pro Jahr produziert und immer kürzer wird die Lebensdauer unserer Kleidung. Nachhaltigkeit im Kleiderschrank – Mode und Konsum zwischen Leid und Leidenschaft.
Jede:r Deutsche kauft im Schnitt jährlich 60 neue Kleidungsstücke, viele davon landen wenige Wochen später im Altkleidersack. Qualität spielt kaum noch eine Rolle, ausschlaggebend sind Trends und Schnäppchenpreise. Doch was macht dieser blinde Konsumwahnsinn mit unserer (Um-)Welt? Was passiert mit der ausgedienten Kleidung? Und wer zahlt den wahren Preis für billige Kleidung?
Diese dreiteilige Artikelreihe wirft einen Blick hinter die Kulissen der schön schillernden Modewelt, zeigt auch ihre Schattenseiten und beleuchtet mögliche Konsum-Alternativen.
Bekleidung früher und heute
Um das Ausmaß der heutigen Bekleidungsproblematik greifbarer zu machen, schauen wir uns doch zunächst einmal an, wie sich unser Modekonsum in den letzten Jahrzehnten verändert hat: Früher galt Qualität vor Quantität. Klar getrennt wurde die tägliche Arbeitskleidung von besserer Sonntagskleidung, sowie Sommer- von Winterkleidung.
Oftmals hatten die Menschen nur sehr wenige, dafür aber qualitativ hochwertige Kleidung in ihrem Besitz. Diese musste lange halten und wurde oft über mehrere Generationen weitergegeben. Nicht nur, dass das Angebot an Kleidung damals schlichtweg nicht im heutigen Maß vorhanden war, die Menschen hatten oft auch kein Geld, um sich ständig neue Kleidung zu kaufen. Vieles wurde selbst genäht, die Kleidung wurde gepflegt und in ordentlichem Zustand gehalten. Wenn etwas kaputt oder zerschlissen war, wurde es repariert.
Heutzutage sieht es leider ganz anders aus, es gilt eher Quantität vor Qualität. Kleidung ist oftmals so günstig, dass viele Konsumenten die Kleidung noch nicht mal richtig anprobieren, sondern einfach spontan kaufen. Reparieren lohnt sich kaum, denn Neues ist oft günstiger als die Reparatur.
Aus zwei Kollektionen pro Jahr (Sommer- und Winterkleidung) wurden je nach Anbieter bis zu 12 oder sogar mehr Kollektionen pro Jahr. Der Lebenszyklus eines einzigen Kleidungsstückes wurde auf wenige Male tragen minimiert. Denn die Qualität ist oft so mies, dass wir die Kleidung nach wenigen Wäschen nicht gut tragen können. Oder die Teile sind so modisch, dass sie nach kurzer Zeit schon wieder „out“ sind.
Modekonsum und die Bekleidungsindustrie im Wandel
Doch nicht nur unser Modekonsum hat sich verändert, auch die Bekleidungsindustrie ging neue Wege. Früher fertigten Schneider Kleidung nach Maß. Dies veränderte sich im Laufe der Jahre hin zu Konfektionsmode – Kleidung in Einheitsgrößen, die Großbetriebe in Massen herstellen konnten. Die einst lokal ansässigen Herstellungsbetriebe sind kaum noch vorhanden, stattdessen wird in Billiglohnländern wie China, Bangladesch oder Indien produziert. Lediglich die Produktionsschritte Design und Vermarktung finden noch in den eigentlichen Abnehmerländern statt.
Weltweit ist jeder sechste arbeitstätige Mensch in der Textil- und Bekleidungsbranche tätig – allein in Asien gibt es rund 43 Mio. Beschäftigte in der Textilindustrie. Die meisten davon sind Frauen mit niedriger Schulbildung.
Nachhaltigkeit im Kleiderschrank – Was kostet ein T-Shirt?
Das obere Bild zeigt beispielhaft, wie sich die Kosten eines Kleidungsstückes zusammensetzen. Dabei fällt auf, dass der größte Anteil nicht für Material und Herstellung anfällt, sondern für Kosten und Gewinn des Einzelhandels.
Der Lohnanteil der Näherin beträgt bei nicht mal 20 Cent bei einem T-Shirt, das der Handel für 29,00 EUR verkauft. Nun könnt ihr euch in etwa vorstellen, wie gering der Lohnanteil noch ausfällt, wenn das T-Shirt gerade mal 5,00 EUR kostet.
Rana Plaza – ein trauriger Weckruf
Zum Abschluss dieses ersten Teils machen wir noch eine kleine Exkursion nach Bangladesch, genauer gesagt nach Sabhar, ca. 25 km von der Hauptstadt Dhaka entfernt. Dort ereignete sich am 23. April 2013 die größte Katastrophe in der Geschichte der Textilindustrie: Ein neunstöckiges Fabrikgebäude stürzte in sich zusammen und riss über 1.000 Menschen in den Tod, mehr als 2.400 verletzten sich.
Bereits Tage vor dem Unglück machten Arbeiter:innen das Management auf Risse in Wänden und Decken aufmerksam. Doch die Warnungen wurden missachtet und die Menschen zur Weiterarbeit gezwungen. Das Gebäude beherbergte viele Nähereien, welche für namhafte Bekleidungsfirmen tätig waren.
Nachhaltigkeit im Kleiderschrank – to be continued…
Nun wissen wir, wo die Problematik liegt. Doch was kann sich verändern und was können wir als Verbraucher konkret tun, um diesen Konsumwahnsinn zu stoppen? Dies schauen wir uns im zweiten Teil der Artikelreihe genauer an.
Als gelernte Schneiderin und studierte Textilbetriebswirtin blickt Anna-Lena im Berufsleben täglich hinter die Kulissen des Modebusiness. Ihr Fokus liegt dabei stets auf Nachhaltigkeit. Bei YouJoy ist sie die Expertin für Modebranchen-Insights, aufstrebende Labels aus der Green-Fashion-Szene, Naturkosmetik und vegane Ernährung.